27.06.2018 | Expressionismus fühlen im Kirchnerhaus Aschaffenburg.

KirchnerHAUS

 

Wie fühlt sich Expressionismus an? Die Dauerausstellung zum Leben und Wirken des Malers Ernst Ludwig Kirchner macht Kunst für blinde, sehgeschädigte und sehende Menschen gleichermaßen erlebbar – durch Einbindung aller Sinne.

Hintergrund: Der Hinweis „Bitte nicht anfassen“ gehört zur Standardausstattung der meisten Museen. Kunst berührt, doch berühren darf man sie selten. Im Kirchnerhaus Aschaffenburg jedoch ist das Gegenteil erwünscht, mit dem Ziel, dass auch Menschen mit Sehbehinderung die expressionistischen Werke fühlen und verstehen können. Die Ausstellung „Ernst Ludwig Kirchner. Lebensstationen“ geht über die visuelle Vermittlungsebene hinaus und ermöglicht es durch vielschichtige Zugangsebenen und innovative technische Lösungen in die farbenfrohe Welt Kirchners einzutauchen.

Das KirchnerHAUS von außen. © Udo Breitenbach

Das KirchnerHAUS von außen. © Udo Breitenbach

Und so funktioniert es: Mit geschlossenen Augen hören Sie das mächtige Rauschen der Natur und das Getummel der Menschenmengen in der Stadt. Spezielle Audioguides machen die Szenen aus Kirchners Kunst akustisch erlebbar. Kleine Bluetooth-Sender, sogenannte Beacons, starten die „hörbaren Exponate“ für blinde und sehende Besucher automatisch an bestimmten Stellen. Neben den vertonten Medienstationen liefern Tafeln in Braille-Schrift zusätzliche Erklärungen für Blinde. Doch die Bilder lassen sich auch fühlen: Mehrere tastbare Holzreliefs geben die Strukturen der entsprechenden Originalkunstwerke wieder. Interaktive Medienstationen, Animationen und Ausstellungsgegenstände zum Anfassen runden den Rundgang durch Kirchners Lebenswerk ab.

Blick in die Ausstellung. © Udo Breitenbach

Blick in die Ausstellung. © Udo Breitenbach

Die speziellen Audioguides und Reliefe machen Kunst für alle erlebbar. © Udo Breitenbach

Die speziellen Audioguides und Reliefe machen Kunst für alle erlebbar. © Udo Breitenbach

Das Besondere: Für alle sehenden Menschen ist das Angebot eine zusätzliche Bereicherung. Es lädt ein, über Seh-Gewohnheiten im Museum hinauszugehen, und erweckt die Neugierde für die besonders im Erwachsenenalter weniger genutzten Wahrnehmungsebenen. Wer möchte, kann die tastbaren Kunstwerke auch als Herausforderung nutzen: Lassen Sie sich „blind“ zum Relief führen und versuchen Sie, sich das Gemälde vorzustellen. Gelingt es Ihnen? Erkennen Sie Ihr liebstes Kirchnerbild auch mit den Händen wieder?

Fazit: Die Sparkasse Aschaffenburg-Alzenau förderte gemeinsam mit der Bayerischen Sparkassenstiftung die Umsetzung der inklusiven Ausstellung und trägt so zu einem besonderen Dialog zwischen Kunst, sehenden und blinden Menschen sowie den menschlichen Sinnen bei. Der innovative Einsatz von Museums- und Medienpädagogik ermöglicht die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am kulturellen Leben und bietet so einen Zugang zu Kirchners Kunst für alle. In diesem Sinne: Bitte anfassen!